Historischer
Spaziergang links und rechts des Flutgrabens, da wo Heidesheim
groß geworden ist. |
Treffpunkt
mitten im Ort, also da, wo die Kirche steht, wo seit dem Mittelalter
auch das Rathaus war. Alte Karten und historische Ansichten
verraten, dass wir hier vor der Kirche im Zentrum des alten Heidesheim
sind, vor der Kirche, die das Altmünsterkloster nach 1300
gegenüber seinem alten Zehnthof baute (heute die alte
Schäferschule und das jetzige Anwesen der Familie
Münzenberger). Das spitzgiebelige ursprüngliche
Rathaus stand
bis 1935 neben der Kirche zum Oberdorf hin. Hier im Obergeschoss war
200 Jahre lang die Schule der Gemeinde untergebracht. Wir befinden uns
auf dem Platz neben dem denkmalgeschützten Rathaus aus dem 19.
Jahrhundert, das im klassizistischen Stil erbaut, zu den ersten noch
erhaltenen offiziellen Gebäuden aus unserer hessischen Zeit
gehört.
Hier wird auch schon ein erstes Heidesheimer Problem deutlich, denn wo
liegt in Heidesheim das Zentrum? Wir stehen auf der ehemaligen
Tuchbleiche, auf der die Heidesheimer noch nach dem 1. Weltkrieg ihre
Wäsche zum Bleichen auslegten, dem einzigen
großen,
aber leider voll geparkten Platz des Ortes. Der Dalles nebenan, wie ihn
die Heidesheimer liebevoll nennen, gehört auch nicht dem
Bürger, die auf die Bürgersteige ringsum
abgedrängt
sind, sondern dem fließenden Verkehr, eine unbefriedigende
Situation, uns auf Besonderheiten der Heidesheimer Geschichte
zurück führt, denn der Ort hat sich nicht wie andere
Gemeinden aus einem mittelalterlichen Marktplatz entwickelt, sondern
aus weit auseinander liegenden Einzelgehöften, die
seit der
fränkischen Landnahme entstanden. Ein weites Areal mit einer
hohen
Umfassungsmauer grenzte den Hof vom benachbarten Grundstück
ab.
Erst spät wurden die Zwischenräume an den
Verbindungswegen
bebaut. Auch daher erklärt sich der heute noch
großzügig bemessene Grünbereich zwischen
der
innerörtlichen Bebauung. |
|
|
Foto: K.-W. Rump |
Foto: K.-W. Rump |
Zu
den traditionsreichen Hofarealen gehörte auch der
Boyneburgsche
Hof, der in seiner jetzigen Form in der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts erbaut wurde und heute allgemein als das “Haus
Dillmann” bekannt ist und als traditionsreiches Gasthaus zum
Goldenen Lamm über viele Generationen hin über die
Ortsgrenzen einen guten Ruf hatte. Nach der Unwetterkatastrophe von
1876 kam es in den Besitz der Familie Dillmann, die bei dem Unwetter
ihr Stammhaus im Oberdorf verloren hatte. Diese Familie stellte im
Laufe des 19./20. Jahrhunderts genau 96 Jahre lang den
Ortsbürgermeister. Bis heute aber hat sich die Gemeinde
gegenüber der Familie, die den Aufstieg Heidesheims aus einem
verschlafenen mittelalterlichen Flecken entscheidend mitgestaltete,
wenig dankbar erwiesen. Es bleibt der Wunsch, dass ihre
Leistung
zumindest durch die Benennung einer Straße gewürdigt
wird.
Nur wenige Schritte sind es vom Rathaus bis zur Sülz, wie der
Flutgraben, der Heideseimer Bach, innerorts vor 1876 genannt wurde. Wir
gehen vorbei an der Stelle, wo vor dem Rathaus die erste Heidesheimer
Feuerwache stand, die als Folge der Flutkatastrophe von 1876 errichtet
wurde und den älteren Heidesheimern noch in Erinnerung ist.
Alte
Fotos belegen, dass der jetzige Flutgraben noch vor 100 Jahren als
Rinnsal über den Dalles floss und nach einem großen
Regen
unpassierbar war. Erst später wurde die von den Wassermassen
1876
gerissenen Schneise durch den Ort vertieft und der künstliche
Bachverlauf mit einer Baumallee eingefasst, ein Bild, das heute Dorf
bestimmend ist.
Die aktuelle Neugestaltung der Bahnhofstraße lässt
erahnen,
dass hier um die Windeck und das Markthallengelände einmal ein
zukunftsträchtiger Bereich entstehen könnte, wenn die
Verantwortlichen in der Lage sind, ein gemeinsames Konzept zu
entwickeln und es gemeinsam durchzustehen. Die Zeit drängt,
und
das Fenster, in dem das noch möglich ist, ist nicht ewig offen. |
Foto: K.-W. Rump |
Foto: K.-W. Rump |
|
Foto: H. Lichtl |
Die
Information, dass diese uns so vertraute Bahnhofstraße gar
nicht
so alt ist und erst nach dem Bau des Heidesheimer Bahnhofs im letzten
Drittel des 19. Jahrhunderts entstand, überraschte. Vorher
führte nur ein Fußweg bis zur Windeck, und das
Gelände
von der Mainzer _Straße bis zur Burg war Ackerland der Burg.
Selbst der Neubau der Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand
auf einem Acker der Burg. Zwischen Mainzer Straße
und
Windeck erbaute der damalige Besitzer 1906 das kaiserliche
Postamt. Die Windeck selbst ist die einzige noch im Kern
erhaltene ursprüngliche Wasserburg zwischen Mainz und Koblenz
und
markierte als Gegenstück zur Schlossmühle im
Süden des
Ortes die nördliche Bebauungsgrenze von Altheidesheim. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Foto: K.-W. Rump |
Foto: K.-W. Rump |
Foto: K.-W. Rump |
Weit
öffneten sich an diesem Tag die Tore des
Schlossmühle, deren
stattliche Renaissancefassade seit fast 500 Jahren unser Ortsbild
mitprägt. Ihre abwechslungsreiche Geschichte bis hin zu den
schlimmen Ausschreitungen nationalsozialistischer Willkür und
Rassenwahns mitten unter uns gegen das Ehepaar Holländer
beeindruckte die 25 Teilnehmer dieser kurzen Exkursion.
Mit der Darstellung der Naturkatastrophe von 1876 an Ort und Stelle und
einer letzen Station vor dem Pfarrhaus in der ehemaligen Wassergass
fand der Spaziergang seinen Abschluss. Wassergass hieß die
jetzige Josef-Kehrein-Straße vor 1876, weil hier die
Sülz
floss, bevor sie sich den direkten Weg durch den alten Pfarrgarten
suchte. Hier trieb sie die alte Lohmühle an, die dort, wo der
alte
Heidesheimer Konsum steht, Eichenrinde aus dem Hunsrück
aufbereitete. Die Josef-Kehrein-Straße mit der heutigen
Pfarrstraße hieß in alten Urkunden auch die
Backhausstraße, weil sie zum Gemeindebackhaus ins Oberdorf,
der
späteren Metzgerei Heiser, führte. |
Foto: K.-W. Rump |
Foto: H. Lichtl |
Foto: H. Lichtl |
|
|
|
|
zurück
nach
oben
|
|