Historischer Spaziergang am  5. Juni 2009                                                  

                                        
Historischer Spaziergang links und rechts des Flutgrabens, da wo Heidesheim groß geworden ist.
Treffpunkt mitten im Ort, also da, wo die Kirche steht, wo seit dem Mittelalter auch das Rathaus war.  Alte Karten und historische Ansichten verraten, dass wir hier vor der Kirche im Zentrum des alten Heidesheim sind, vor der Kirche, die das Altmünsterkloster nach 1300 gegenüber seinem alten Zehnthof baute (heute die alte Schäferschule und das jetzige Anwesen der Familie Münzenberger). Das spitzgiebelige ursprüngliche Rathaus stand bis 1935 neben der Kirche zum Oberdorf hin. Hier im Obergeschoss war 200 Jahre lang die Schule der Gemeinde untergebracht. Wir befinden uns auf dem Platz neben dem denkmalgeschützten Rathaus aus dem 19. Jahrhundert, das im klassizistischen Stil erbaut, zu den ersten noch erhaltenen offiziellen Gebäuden aus unserer hessischen Zeit gehört.
Hier wird auch schon ein erstes Heidesheimer Problem deutlich, denn wo liegt in Heidesheim das Zentrum? Wir stehen auf der ehemaligen Tuchbleiche, auf der die Heidesheimer noch nach dem 1. Weltkrieg ihre Wäsche zum Bleichen auslegten, dem einzigen großen,  aber leider voll geparkten Platz des Ortes. Der Dalles nebenan, wie ihn die Heidesheimer liebevoll nennen, gehört auch nicht dem Bürger, die auf die Bürgersteige ringsum abgedrängt sind, sondern dem fließenden Verkehr, eine unbefriedigende Situation, uns auf Besonderheiten der Heidesheimer Geschichte zurück führt, denn der Ort hat sich nicht wie andere Gemeinden aus einem mittelalterlichen Marktplatz entwickelt, sondern aus weit auseinander liegenden Einzelgehöften, die  seit der fränkischen Landnahme entstanden. Ein weites Areal mit einer hohen Umfassungsmauer grenzte den Hof vom benachbarten Grundstück ab. Erst spät wurden die Zwischenräume an den Verbindungswegen bebaut. Auch daher erklärt sich der heute noch großzügig bemessene Grünbereich zwischen der innerörtlichen Bebauung.

Foto: K.-W. Rump

Foto: K.-W. Rump
Zu den traditionsreichen Hofarealen gehörte auch der Boyneburgsche Hof, der in seiner jetzigen Form in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut wurde und heute allgemein als das “Haus Dillmann” bekannt ist und als traditionsreiches Gasthaus zum Goldenen Lamm über viele Generationen hin über die Ortsgrenzen einen guten Ruf hatte. Nach der Unwetterkatastrophe von 1876 kam es in den Besitz der Familie Dillmann, die bei dem Unwetter ihr Stammhaus im Oberdorf verloren hatte. Diese Familie stellte im Laufe des 19./20. Jahrhunderts  genau 96 Jahre lang den Ortsbürgermeister. Bis heute aber hat sich die Gemeinde gegenüber der Familie, die den Aufstieg Heidesheims aus einem verschlafenen mittelalterlichen Flecken entscheidend mitgestaltete, wenig dankbar erwiesen. Es bleibt der Wunsch, dass ihre  Leistung zumindest durch die Benennung einer Straße gewürdigt wird.
Nur wenige Schritte sind es vom Rathaus bis zur Sülz, wie der Flutgraben, der Heideseimer Bach, innerorts vor 1876 genannt wurde. Wir gehen vorbei an der Stelle, wo vor dem Rathaus die erste Heidesheimer Feuerwache stand, die als Folge der Flutkatastrophe von 1876 errichtet wurde und den älteren Heidesheimern noch in Erinnerung ist. Alte Fotos belegen, dass der jetzige Flutgraben noch vor 100 Jahren als Rinnsal über den Dalles floss und nach einem großen Regen unpassierbar war. Erst später wurde die von den Wassermassen 1876 gerissenen Schneise durch den Ort vertieft und der künstliche Bachverlauf mit einer Baumallee eingefasst, ein Bild, das heute Dorf bestimmend ist.
Die aktuelle Neugestaltung der Bahnhofstraße lässt erahnen, dass hier um die Windeck und das Markthallengelände einmal ein zukunftsträchtiger Bereich entstehen könnte, wenn die Verantwortlichen in der Lage sind, ein gemeinsames Konzept zu entwickeln und es gemeinsam durchzustehen. Die Zeit drängt, und das Fenster, in dem das noch möglich ist, ist nicht ewig offen.

Foto: K.-W. Rump

Foto: K.-W. Rump

Foto: H. Lichtl
Die Information, dass diese uns so vertraute Bahnhofstraße gar nicht so alt ist und erst nach dem Bau des Heidesheimer Bahnhofs im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entstand, überraschte. Vorher führte nur ein Fußweg bis zur Windeck, und das Gelände von der Mainzer _Straße bis zur Burg war Ackerland der Burg. Selbst der Neubau der Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand auf einem Acker der Burg.  Zwischen Mainzer Straße und Windeck erbaute der damalige Besitzer 1906 das kaiserliche Postamt.  Die Windeck selbst ist die einzige noch im Kern erhaltene ursprüngliche Wasserburg zwischen Mainz und Koblenz und markierte als Gegenstück zur Schlossmühle im Süden des Ortes die nördliche Bebauungsgrenze von Altheidesheim.

Foto: K.-W. Rump

Foto: K.-W. Rump

Foto: K.-W. Rump
Weit öffneten sich an diesem Tag die Tore des Schlossmühle, deren stattliche Renaissancefassade seit fast 500 Jahren unser Ortsbild mitprägt. Ihre abwechslungsreiche Geschichte bis hin zu den schlimmen Ausschreitungen nationalsozialistischer Willkür und Rassenwahns mitten unter uns gegen das Ehepaar Holländer beeindruckte die 25 Teilnehmer dieser kurzen Exkursion.
Mit der Darstellung der Naturkatastrophe von 1876 an Ort und Stelle und einer letzen Station vor dem Pfarrhaus in der ehemaligen Wassergass fand der Spaziergang seinen Abschluss. Wassergass hieß die jetzige Josef-Kehrein-Straße vor 1876, weil hier die Sülz floss, bevor sie sich den direkten Weg durch den alten Pfarrgarten suchte. Hier trieb sie die alte Lohmühle an, die dort, wo der alte Heidesheimer Konsum steht, Eichenrinde aus dem Hunsrück aufbereitete. Die Josef-Kehrein-Straße mit der heutigen Pfarrstraße hieß in alten Urkunden auch die Backhausstraße, weil sie zum Gemeindebackhaus ins Oberdorf, der späteren Metzgerei Heiser, führte.

Foto: K.-W. Rump

Foto: H. Lichtl

Foto: H. Lichtl

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