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Was
Hänschen nicht lernt ...
350 Jahre
Schule in Heidesheim |
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Nach Auflösung
des Kurstaates unter französischer Besatzung und dem Ende der
napoleonischen Herrschaft 1815 kam Heidesheim mit Rheinhessen zum
Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Der vorliegende Auszug aus
einer alten Schulkarte zeigt das Großherzogtum mit der
Vielzahl der angrenzenden Kleinstaaten. Für die
Schulentwicklung der Region begann eine fruchtbare Zeit. |
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So
wurde auf Antrag von Rat und Schultheiß Bohland schon bald
eine Lehrerin als 2. Lehrkraft bewilligt, um den
Mädchen vor allem nützliche Kenntnisse in
Handarbeitstechniken als Vorbereitung für das spätere
Leben beizubringen. Wie alle Lehrer stand auch sie unter der
Schulaufsicht des Dorfpfarrers. Damit gehörte das Einstudieren
vor allem von Kirchenliedern zu ihren Aufgaben. Da es schon bald zu
Unstimmigkeiten mit dem Schultheiß kam, wurde sie nach Mainz
versetzt. |
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Da
die Zahl der Heidesheimer Kinder, die die Schule besuchten,
mittlerweile auf 200 angewachsen war - die Schulpflicht wurde
erst 1828 eingeführt - kam an ihre Stelle 1825 der junge Eigenbrod
nach Heidesheim. Genau 50 Jahre lang prägte er die Dorfschule. Um
seine große Familie durchzubringen, reichte der magere Lohn als
Dorfschulmeister sowie sein zusätzlicher Küsterdienst nicht.
Er betrieb noch eine kleine Landwirtschaft und hielt sich ein paar
Kühe. Seine Frau fuhr regelmäßig mittwochs mit dem Boot
von Heidenfahrt zum Binger Markt, um durch den Verkauf von Obst und
Gemüse zum Unterhalt der Familie beizutragen. Seine lange
Dienstzeit war nicht unüblich und nötig, weil es Pension nach
Abschluss des Dienstes noch nicht gab. Besoldung und Pension wurden
erst mit der Verbeamtung der Lehrer nach der Reichsgründung 1871
geregelt. Als Bauer hatte er wohl auch seine liebe Not, wie sich aus
Eintragungen des Dorfschmieds Bieber aus dem Oberdorf für das Jahr
1869 schließen lässt. Wie für viele Heidesheimer Bauern
ist auch ihm eine ganze Seite im Werkbuch gewidmet mit einem
Unterschied. Hatte ein Heidesheimer Bauer im Jahr durchschnittlich etwa
80 fl. zu zahlen, so addiert sich bei Herrn Eigenbrod die ganze Seite
auf nur 2fl., weil er seine Sense 17 mal für 2 Kronen vom
Dorfschmied dengeln ließ. |
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Innenansicht
eines Klassenzimmers um 1900. Die sprichwörtlich "harten
Schulbänke" prägten noch über die Kaiserzeit hinaus die
Schulzimmer. Ansonsten waren die Klassenräume, abgesehen vom
Kruzifix und dem Portrait des Staatsoberhaupts Großherzog
Ludwig, eher karg ausgestattet. Nach 1900 wurden im
Unterricht bestenfalls einige Karten über die Zeit der
Entdeckungen oder das Zeitalter des nationalen Wiedergeburt oder
idyllische Bildkarten zum biblischen Geschehen oder im
Naturkundeunterricht verwendet.
Die ältesten Mitbürger
können sich noch an eine große “Rechenmaschine”
erinnern, die dann nach den 1950er Jahren im Kleinformat zur
Ausstattung der Erstklässler gehörte. Fibeln und
Lesebücher konnten erst nach Erfindung des Holzstichs
kinderfreundlicher illustriert werden. Nicht jeder konnte sich anfangs
diese Bücher leisten. Die Geige an der Wand ruft in Erinnerung,
dass jede Lehrkraft mindestens ein Instrument beherrschen sollte. |
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Ein
Lehrerpult gehörte in jede Klasse wie dieses reich ausgestattete
Exemplar, das der Heidesheimer Schreiner Hefner eigens für die
einklassige Schule in Heidenfahrt gefertigt hatte und das die
Auflösung diese Schule in den 30 er Jahren bis heute nur deshalb
überdauert hat, weil die eingebauten Schubläden zum
Aufbewahren von Nägeln so praktisch waren und im
unteren Schrankteil Einweck- und Marmeladengläser ihren Platz
fanden. |
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Eine umfängliche Wandbilder- und Kartensammlung war das Aushängeschild einer guten Schule. |
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beredte Objekte bereichern die Ausstellung. Es sind die einzigen
privaten Gegenstände eines in Heidesheim wirkenden Pädagogen,
fast schon “Schulreliquien”, die Rektor Sturm während
seiner gesamten Lehrtätigkeit zwischen 1920 und 1959 begleitet
haben und die sich fest ins Gedächtnis seiner Schüler
einprägten, zum einen die Violine, die allein schon ihres
“Gequietsches” wegen aus seinen Religionsstunden nicht
wegzudenken ist, zum anderen seine Taschenuhr, die ihn exakt durch den
Schulmorgen führte und die er mit ewig gleicher Geste hervor holte
sowie schließlich sein Fernglas, ein steter Begleiter auf allen
Ausflügen.
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Eine Schiefertafel aus dem 19. Jahrhundert, die nach eigenem Bedürfnis und Vermögen den Anforderungen angepasst wurde. |
5 originale Griffelkästen mit altem Inhalt aus 5 Jahrzehnten Schülerdasein |
Vor vielen Jahrzehnten hat
das Messer den letzten Griffel gespitzt und der Federhalter das letzte
Diktat in Sütterlin fein säuberlich ins Heft geschrieben. |
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3 Beispiele anschaulicher Fibeln zwischen 1900 und 1950 |
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Musterzeugnis aus Heidesheim 1936-1943 |
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Ein
Ranzen. Nur wenige konnten sich um 1900 einen eigenen Ranzen leisten;
in den meisten kinderreichen Familien bedeutete ein Ranzen, eine
Kostbarkeit und wurde von einem Kind zum anderen über Generationen
weiter vererbt. Die deutlichen Gebrauchsspuren verraten, dass
Schäden immer wieder mit den einfachsten Mitteln, selbst mit
Matratzenstoff, ausgebessert wurden. Ein Ranzen der selbst
Schulgeschichte darstellt. |
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Als
Teil der Ausstellung weist dieser Ranzen mit der eingeprägten
Abbildung von Fußballspielern wie das Foto von Herrn
Krannich in die Zeit der 60-er Jahre.
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