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Kleine Läden in Heidesheim
Einkaufen, abwiegen, abpacken
Einkaufen war (für uns Kinder)
immer ein Erlebnis und nur lästig, wenn
uns die Mutter mitten aus dem Spiel von der Gass’ wegrief,
einen Zettel
in die Hand drückte und zu Heisers schickte.
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Ein
warmer Klingelton
begrüßte jeden Kunden wie die freundliche,
vertraute Stimme von Frau Heiser, der so viele Schätze
gehörten. Und
während ich Mutters Zettel über die Holztheke schob,
tauchte ich ein in
eine andere, wunderbare Welt von Gerüchen, Farben und
Dingen. |
Während
Frau Heiser Mutters Wunschliste abarbeitete, lockten von der Theke
große
Gläser in bunten Farben mit ihrer süßen
Verführung. Da waren die
roten Himbeerbonbons neben den goldgelben Anisstäbchen, in
grünem oder
silbernem Stanniol eingewickelte Nappo-Ecken neben
Brausetütchen in
Waldmeistergrün oder Orangengelb.
Und wenn es, einige Jahre später, das bescheidene Taschengeld
erlaubte,
durfte es auch schon mal eine Bildgeschichte von Nick sein, dessen
spannende Abenteuer griffbereit auf die junge Kundschaft warteten. Aber
das war noch lange, bevor heimlich gekaufte Zigaretten in kleiner Runde
unter der Hand weiter gereicht wurden.
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Nick
(1958-1963) = erster deutscher Comic-Held, benannt nach 1957
gestartetem Sputnik.
Beliebte Weltraumsaga in 139 Folgen.
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Verpackungen sind heute ein Thema, ein
Problem
geworden, waren aber früher aus heimischen Rohstoffen,
verrotteten
umweltfreundlich oder wurden wiederverwendet und waren eher eine
Nebensache.
Fast alles, was für Küche und den täglichen
Verbrauch
benötigt wurde, gab es in der Nachbarschaft. Erbsen, Bohnen
und
Linsen, Zucker, Mehl und Nudeln lagerten wie Graupen und Rosinen lose
in den zahlreichen Schubfächern, standen noch in
Säcken in
den Ecken, blieben wie Salzheringe oder Gewürzgurken in
Holzfässern oder Blecheimern. Große
Vorratsgläser
standen ordentlich aufgereiht oben auf der Schrankwand oder in
Augenhöhe auf der Theke.
Was der Kunde in kleinen Portionen wünschte, wurde mit
handlichen
Schäufelchen grammgenau in die spitzen oder breit gefalzten
Papiertüten abgewogen, die abrissbereit an einer Wurstkordel
vor
der Schrankwand hingen. Abgetropfte Salzheringe wurden wie die
Bücklinge in alte Zeitungen eingeschlagen, Öl und
Essig in
mitgebrachte Haushaltflaschen aus einem Spender nachgefüllt.
Sauerkraut wurde mit einer Holzgabel in die Schüssel auf der
Waage
gefüllt. Wurst und Käse gab es anfangs
vorzugsweise am
Stück, wurde später in Scheiben auf Pergamentpapier
gepackt,
das von einer Rolle abgerissen wurde.
Fertig verpackt waren nur Markenartikel oder chemische Produkte wie
Waschpulver, um sie vor Nässe zu schützen.
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Kratzer, Löffel, Schaufeln und
Schaber aus Blech, Aluminium oder Holz
gehörten in allen Größen, Formen und
Funktionen zum
selbstverständlichen, kaum beachteten Inventar jeden Ladens.
Jede
Schublade und jeder Sack, jedes Behältnis hatte sein passendes
Gerät.
Mit
den kleinen Läden sind die Schrankwände mit den
Fächern, die Säcke,
Tonnen und großen Gläser verschwunden. Die Schaber
und Schaufeln ...
sind noch da, letzte, aber beredte Zeugen einer heute untergegangenen
Welt.
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